Start-up-Hauptstadt Europas: Paris oder Berlin?

Europa hat sich in den vergangenen Jahren zu einem dynamischen Zentrum für Innovation, Technologie und Unternehmertum entwickelt. Zwei Städte stechen dabei besonders hervor: Paris und Berlin. Beide Metropolen gelten als Schmelztiegel für kreative Köpfe, digitale Ideen und Investitionen. Doch welche Stadt ist wirklich die Hauptstadt für Start-ups? Ein Vergleich zeigt, dass beide ihre eigenen Stärken haben.
2. Finanzierung, Förderungen und Investorenlandschaft
3. Kosten, Lebenshaltung und Büroflächen
4. Talente, Ausbildung und Netzwerke
5. Branchenschwerpunkte: Wer ist wo stark
6. Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung
7. Bürokratie, Gründungshürden und Regulierung
8. Zukunftsausblick: Zwei Modelle mit europäischer Strahlkraft
9. Zwei Hauptstädte, zwei Philosophien
Berlin hat sich schon früh als kreativer Magnet für Start-ups etabliert. Nach der Jahrtausendwende entstand in ehemaligen Industrievierteln wie Kreuzberg, Friedrichshain oder Neukölln eine pulsierende Szene aus Tech-Pionieren, Kreativen und Digitalnomaden. Viele internationale Gründer fühlen sich von der offenen Atmosphäre und der kulturellen Vielfalt angezogen. Die Berliner Start-up-Kultur gilt als unkonventionell, experimentierfreudig und weltoffen.
Paris hingegen setzt stärker auf Professionalität und strategische Entwicklung. Die Gründerszene hat sich in den letzten Jahren massiv professionalisiert. Mit Initiativen wie La French Tech, dem größten Start-up-Campus Station F, und der Unterstützung durch den Staat wurde Paris zu einem global anerkannten Innovationszentrum. Die französische Start-up-Kultur ist weniger improvisiert, dafür strukturierter - ein Umfeld, das besonders skalierungsorientierte Unternehmen anspricht.
In puncto Finanzierung hat Paris einen entscheidenden Vorteil. Französische Start-ups erhielten laut EY European Venture Capital Report 2024 über 10 Milliarden Euro an Risikokapital, ein Rekordwert! Der französische Staat unterstützt Gründer durch Programme wie Bpifrance, steuerliche Vergünstigungen für Investoren (z. B. Jeune Entreprise Innovante) und umfangreiche Fördermittel für Forschung und Entwicklung.
Berlin bleibt dennoch eine der wichtigsten europäischen Adressen für Wagniskapital. Internationale Fonds wie Accel, Earlybird, HV Capital oder Index Ventures investieren regelmäßig in Berliner Start-ups. Der Nachteil: Der Wettbewerb um Investoren ist intensiver geworden, und die Anforderungen an Businesspläne steigen. Zudem haben sich in den letzten Jahren viele Investoren auch in München, Hamburg oder Amsterdam etabliert, was den Berlin-Vorsprung leicht schrumpfen lässt.
Ein entscheidender Punkt für viele Gründer ist der Kostenfaktor:
Berlin bietet trotz gestiegener Mieten immer noch vergleichsweise moderate Lebenshaltungskosten im europäischen Vergleich. Coworking-Spaces, wie Factory Berlin, Betahaus oder WeWork, bieten flexible Arbeitsplätze zu erschwinglichen Preisen.
Paris ist deutlich teurer, insbesondere in zentralen Arrondissements. Viele französische Startups weichen daher auf Vororte wie Saint-Denis, Montreuil oder Boulogne-Billancourt aus, wo sich eine wachsende Tech-Infrastruktur entwickelt. Allerdings bietet Paris ein besser ausgebautes staatliches Unterstützungsnetzwerk, das Kosten teilweise abfedern kann, etwa durch subventionierte Büroräume oder Gründerstipendien.
Paris punktet mit einem dichten Netzwerk aus Eliteuniversitäten und Technologieschulen wie HEC, ESSEC, Polytechnique, Sciences Po oder École 42. Diese Institutionen fördern Unternehmergeist gezielt und bringen jedes Jahr Hunderte gut ausgebildete Talente hervor. Zudem ist in Frankreich der Zugang zu hochqualifizierten Ingenieuren und Entwicklern traditionell stark.
Berlin hingegen zieht Talente aus der ganzen Welt an, nicht wegen der Hochschulen, sondern wegen der internationalen Lebensweise. Start-ups in Berlin arbeiten oft mit englischer Unternehmenssprache und flachen Hierarchien, was die Stadt besonders für junge internationale Fachkräfte attraktiv macht. Das Netzwerk ist lockerer, aber dafür extrem vielfältig und kreativ.
Beide Städte setzen zunehmend auf Nachhaltigkeit und Impact Entrepreneurship, doch Paris profitiert hier von der engen Verzahnung mit staatlicher Klimapolitik, während Berlin stärker auf private Initiativen setzt.
Paris: Besonders stark in FinTech, DeepTech, AI, Biotechnologie, ModeTech und Greentech. Große Konzerne und Start-ups arbeiten häufig Hand in Hand, etwa bei künstlicher Intelligenz oder nachhaltiger Energie.
Berlin: Dominiert in E-Commerce, Mobility, SaaS, Gaming und Social Start-ups. Viele bekannte Namen wie N26, Zalando, GetYourGuide oder Trade Republic stammen aus der Hauptstadt.
Ein wachsender Trend in beiden Metropolen ist Green Entrepreneurship. Beide Städte positionieren sich damit als Vorreiter einer neuen, verantwortungsbewussten Start-up-Kultur.
In Paris gibt es zahlreiche staatlich geförderte Programme für nachhaltige Start-ups, z. B. im Bereich Energieeffizienz oder Kreislaufwirtschaft.
In Berlin entstehen viele sozial orientierte Projekte, häufig aus der Zivilgesellschaft heraus, Initiativen wie Betterplace.org oder Ecosia sind Beispiele für diese Bewegung.
Die Bürokratie bleibt ein Knackpunkt in beiden Ländern:
Die Gründung eines Unternehmens in Frankreich ist dank der Plattform Guichet des formalités des entreprises einfacher geworden, vollständig digital und zentralisiert.
In Deutschland hingegen ist die Verwaltung oft noch papierlastig und föderal organisiert, was Prozesse verlängern kann. Allerdings bietet Berlin durch zahlreiche private Gründerzentren, Accelerators und Mentoring-Programme (z. B. Berlin Startup Stipendium oder Techstars) eine gute Unterstützung in der Anfangsphase.
Die Zukunft der Start-up-Landschaft in Europa wird von beiden Städten geprägt werden. Langfristig könnte sich ein komplementäres Modell entwickeln: Paris als Kapital- und Forschungszentrum, Berlin als kreative Ideenfabrik Europas.
Paris strebt mit der Initiative France 2030 an, Europas führender Innovationsstandort in Bereichen wie KI, Energie und Gesundheit zu werden.
Berlin baut seinen Ruf als kreatives Zentrum mit globalem Mindset weiter aus und setzt auf Diversität, Nachhaltigkeit und soziale Innovation.
Wer die "Start-up-Hauptstadt Europas" sucht, muss wissen, was er oder sie selbst sucht:
- Paris steht für Struktur, Förderung, Kapital und professionelles Wachstum.
- Berlin verkörpert Freiheit, Vielfalt und kreative Energie.
Beide Städte sind keine Rivalen, sondern zwei Seiten derselben europäischen Innovationsmedaille, gemeinsam bilden sie das Herz der europäischen Start-up-Szene.
Mehr dazu:
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Olivier Geslin

