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„La Bise“ im Büro: Warum der französische Wangenkuss verschwindet

 „La Bise“ im Büro: Warum der französische Wangenkuss verschwindet

„Es war ein tägliches Ritual – heute wirkt es wie ein Anachronismus.“

In französischen Büros galt sie einst als selbstverständlicher Akt der Höflichkeit: la bise, der flüchtige Wangenkuss zur Begrüßung unter Kolleg:innen. Wo einst jeder Morgen mit zwei schnellen Küssen begann, herrscht heute oft Unsicherheit, Zurückhaltung – oder einfach ein schlichtes „Bonjour“. Die Pandemie hat nicht nur den Händedruck in Frage gestellt, sondern eine jahrzehntelange französische Tradition nahezu ausgelöscht.

Fünf Jahre nach dem Ausbruch von Covid‑19 ist die Bise im Berufsalltag praktisch verschwunden – und das nicht durch Gesetz, sondern durch sozialen Wandel. Für manche war das überfällige Emanzipation von einem aufgedrängten Nähe-Ritual, für andere der Verlust eines Symbols der französischen Convivialité. Doch was trat an ihre Stelle? Und was sagt das über die neue französische Arbeitskultur?

 



1. Einleitung: Was ist la bise und wie wandelte sie sich

1. Einleitung: Was ist la bise und wie wandelte sie sich

In Frankreich gehört la bise – der kurze Wangenkuss als Begrüßung unter Kolleg:innen – traditionell zu den sozialen Gepflogenheiten im Büro. Sie war nicht selten Teil des „habituellen“ Umgangs, auch schon beim ersten Aufeinandertreffen. Doch mit dem Ausbruch der Covid‑19‑Pandemie änderte sich nicht nur der Gesundheitsdiskurs: Hygieneschutz und der Wunsch, Ansteckungen zu vermeiden, führten dazu, dass körperliche Kontakte grundsätzlich in Frage gestellt wurden. In vielen Berichten heißt es schon heute, dass la bise im privaten Kreis allmählich zurückgekehrt sei, doch im professionellen Kontext, im Büro, sei sie nie wirklich wieder normal geworden. Menschen berichten von Unsicherheit: War es früher unhöflich, nicht zu küssen, selbst bei wenig bekannten Kolleg:innen – heute wirkt genau diese normierte Nähe oft unangemessen oder überholt.



2. Die Pandemie als Wendepunkt

2. Die Pandemie als Wendepunkt

Während der Pandemie wurden Umarmungen, das Händeschütteln und insbesondere der Wangenkuss als potenzielle Keimverbreiter stark kritisiert und vermieden. In einer Studie von Qapa, zusammen mit dem französischen Statistikamt Insee, wurden über 1.002 repräsentative Personen befragt. Im Jahr 2020 dachten etwa 28 % der Franzosen, sie würden nach Ende der Corona-Krise wieder la bise im Büro machen. Zwei Jahre später, also 2022, sank dieser Anteil drastisch auf nur 10 %. (Les attitudes des français au travail).

Diese massive Veränderung spiegelt nicht nur Vorsicht wider, sondern auch eine Verschiebung in Normen und Erwartungen: Was früher fast verbindlich schien, wird zunehmend als persönliche Entscheidung betrachtet. Menschen berichten, sie fühlten sich durch die Erwartung, die Bise zu machen, manchmal belastet – etwa wenn sie jemanden kaum kennen, deren Körpernähe oder Geruch nicht angenehm finden oder schlicht die Berührung meiden wollen.



3. Welche neuen Umgangsformen ersetzen die bise

3. Welche neuen Umgangsformen ersetzen die bise

Da la bise im Büro seltener geworden ist, haben sich verschiedene Alternativen etabliert:

  • Der „Check“ (z. B. Faust‑oder Hand‑Klatschen) wird besonders in Startups populär. Es ist kurz, direkt, ohne körperliche Nähe auf der Wange.
  • In klassischeren, formelleren Umgebungen genügt oft ein schlichtes „Bonjour“ begleitet von einem Kopfnicken oder einer Handbewegung.
  • Manche Kolleg:innen nutzen auch verbalen Kontakt oder Blickkontakt, um Freundlichkeit auszudrücken. Es heißt, dass dadurch der Gruß bewusster und persönlicher wird: Man schaut der Person ins Gesicht, man bemüht sich, Aufmerksamkeit zu zeigen.
  • Gleichzeitig erleben Unternehmungen und Teams eine verstärkte Nachfrage nach gemeinsamen Momenten zur Förderung der Geselligkeit – etwa Frühstück, Team‑Lunches, Kaffeepausen mit Croissants etc. Diese ritualisierten Treffen sollen Nähe herstellen, aber ohne direkten Körperkontakt.

Diese Änderungen zeigen, dass die soziale Funktion der Begrüßung und Wertschätzung weiterbesteht, aber in angepasster Form.



4. Geschlechterdimension & persönliche Sichtweisen

4. Geschlechterdimension & persönliche Sichtweisen

Die Verschiebung in der Praxis der bise wirft auch Fragen nach Ungleichheit und Geschlechterrollen auf:

  • Viele Frauen haben angegeben, dass Druck, die bise zu machen, stärker auf ihnen lastete als auf Männern. Männer untereinander mussten oft weniger erwarten, Körperkontakt zu teilen – eine Form ungleicher sozialer Norm.
  • Manche finden, dass die Pflicht zur bise – früher oft als Höflichkeit interpretiert – heute eher als Zwang empfunden wird, wenn man sie nicht machen möchte. Es gibt Aussagen wie „wir sind nicht mehr gezwungen, die Gesichter zu berühren, die Person zu riechen, mit der man nicht eng verbunden ist“. Diese Bedenken thematisieren persönliche Grenzen, Vorlieben und Komfort.

Gleichzeitig gibt es Menschen, die den Wegfall vermissen: den persönlichen Touch, die Wärme, das Gefühl der Nähe, die bise repräsentierte. Für sie war sie ein wichtiger Teil der Kultur, der Sympathie und Nähe vermittelte.



5. Hat die Bise ihre Funktion verloren – oder nur gewandelt?

5. Hat die Bise ihre Funktion verloren – oder nur gewandelt?

Die Frage, ob la bise „gestorben“ ist, lässt sich differenziert beantworten:

  • Nicht tot, aber deutlich seltener: In vielen Büros wird die bise nur noch zwischen sehr nahestehenden Kolleg:innen gemacht – Leuten, mit denen man über Jahre hinweg eine Beziehung aufgebaut hat. Für neue Teammitglieder oder flüchtige Kontakte gehört sie kaum mehr zur Begrüßungsroutine.
  • Einvernehmlichkeit: Heute gilt oft, dass man vorher zustimmt – man spürt instinktiv, ob die andere Person offenbar Abstand möchte oder nicht. Es gibt ein stilles Einverständnis, dass man sich nicht verpflichtet fühlt.
  • Die Funktion bleibt erhalten: Die Bedürfnisse, die die bise früher erfüllt hat – Anerkennung, Zugehörigkeit, Freundlichkeit –, sind nicht verschwunden. Sie sind nur in andere Formen übergegangen. Menschen suchen bewusst nach Gesten, die Nähe ohne Übergriffigkeit ausdrücken. Damit verbindet sich auch eine Reflexion persönlicher Grenzen und Respekts.

Auch wenn la bise im Arbeitsalltag in Frankreich seit der Pandemie stark zurückgegangen ist, handelt es sich nicht um ein Verschwinden der sozialen Wärme oder Kollegialität. Vielmehr hat sich die Art, wie Freundlichkeit und Nähe ausgedrückt werden, gewandelt: weg vom automatischen Körperkontakt hin zu bewusstem, respektvollem Umgang. Für viele fühlt sich das befreiend an; andere vermissen etwas von der alten Vertrautheit. Insgesamt lässt sich sagen: die Bise ist nicht mehr Pflicht, sondern Wahl.

Mehr dazu:

 
Jérôme

Jérôme Lecot

 
 
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