Warum Deutsche und Franzosen weniger mobil sind
Die berufliche Mobilität innerhalb der EU gewinnt an Bedeutung. Sie erleichtert Unternehmen den Zugang zu Fachkräften und eröffnet Arbeitnehmern neue Perspektiven. Laut dem Jahresbericht 2024 der Europäischen Kommission zeigt sich jedoch: Die Mobilität variiert stark zwischen den Mitgliedstaaten. Während Arbeitnehmer aus Ländern wie Rumänien oder Polen besonders häufig ins Ausland gehen, bleiben Fachkräfte aus Deutschland und Frankreich vergleichsweise standortgebunden.
2. Deutschland als wichtigster Zielmarkt für mobile Arbeitskräfte
3. Frankreich mit Fokus auf hochqualifizierte Profile
4. Ein geteiltes Europa der Arbeitsmobilität
5. Mobilität als strategisches HR-Thema

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Rumänien, Polen und Italien gehören zu den mobilsten Gruppen Europas. Diese drei Länder stellen gemeinsam fast die Hälfte aller mobilen EU-Bürgerinnen und -Bürger:
- Rumänien (25 %)
- Polen (12 %)
- Italien (9 %)
Die Gründe liegen vor allem in wirtschaftlichen Unterschieden innerhalb der EU, in der Suche nach besseren Arbeitsbedingungen und in höheren Löhnen in den westlichen Mitgliedstaaten.
Im Jahr 2023 lebten über zehn Millionen EU-Bürger im Alter von 20 bis 64 Jahren in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Herkunftsland. Besonders mobil sind junge Erwachsene zwischen 20 und 34 Jahren, die internationale Berufserfahrung sammeln möchten.
In vielen Fällen handelt es sich um zeitlich begrenzte Mobilität: Nach einigen Jahren kehren viele Beschäftigte in ihr Herkunftsland zurück, häufig mit verbesserten Sprachkenntnissen, neuen Kompetenzen und erweiterten Karrierechancen.
Deutschland ist nach wie vor das bevorzugte Ziel europäischer Fachkräfte. Rund 3,4 Millionen EU-Bürger im erwerbsfähigen Alter arbeiten derzeit in Deutschland.
Der deutsche Arbeitsmarkt profitiert von einer hohen wirtschaftlichen Stabilität, einem vielfältigen Branchenmix und einem starken Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften, insbesondere in den Bereichen Industrie, Technik, Gesundheit und Pflege.
Der Integrationsgrad ist dabei hoch: Laut der Europäischen Kommission liegt die Beschäftigungsquote von EU-Bürgern in Deutschland bei 78 % und damit leicht über derjenigen der deutschen Bevölkerung (76 %). Mobile Fachkräfte finden also meist schnell Zugang zum Arbeitsmarkt.
Eine der größten Herausforderungen bleibt jedoch der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum, fast jeder fünfte mobile Arbeitnehmer berichtet von Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche.
Im Vergleich zeigen sich Deutsche Arbeitnehmer weniger mobil. Nur ein geringer Teil zieht in ein anderes EU-Land, da das Beschäftigungsniveau im Inland hoch und die wirtschaftliche Situation stabil ist.
Wenn deutsche Fachkräfte ins Ausland gehen, handelt es sich meist um hochqualifizierte Spezialisten oder Führungskräfte, die internationale Erfahrungen sammeln möchten, häufig in der Schweiz, in den Niederlanden oder in Skandinavien.

Im europäischen Vergleich nimmt Frankreich eine mittlere Position ein. Das Land zieht einerseits zahlreiche Arbeitnehmer aus anderen EU-Staaten an, insbesondere aus Spanien, Portugal, Belgien und Italien.
Andererseits verlassen jedes Jahr auch viele Franzosen das Land: Laut OECD wanderten im Jahr 2022 rund 110 000 französische Staatsbürger in andere OECD-Länder aus, ein Anstieg um 4 % gegenüber dem Vorjahr.
Diese Mobilität betrifft vor allem junge Akademiker und Fachkräfte mit internationaler Orientierung. Besonders gefragt sind Positionen in den Bereichen Finanzen, Forschung, Technologie und Beratung.
Im Gegensatz zu den osteuropäischen Ländern bleibt die französische Mobilität jedoch eher selektiv. Sprachliche und administrative Hürden sowie die Anerkennung von Qualifikationen im Ausland stellen weiterhin Barrieren dar.
Für Unternehmen, die französische Talente gewinnen möchten, sind daher attraktive Rahmenbedingungen entscheidend: Unterstützung beim Umzug, mehrsprachige Arbeitsumgebungen und klare Entwicklungsperspektiven.
Die Analyse der europäischen Arbeitsmobilität zeigt eine deutliche Ost-West-Dynamik. Während Mittel- und Osteuropa den größten Anteil der mobilen Arbeitnehmer stellt, fungieren die westlichen Länder, insbesondere Deutschland, Frankreich und Spanien, hauptsächlich als Aufnahmeländer.
Diese gegenseitige Abhängigkeit prägt zunehmend den europäischen Arbeitsmarkt: Westeuropa profitiert von der Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte, während die Herkunftsländer von Rücküberweisungen und Wissenstransfer profitieren.
Langfristig stellt sich jedoch die Frage der Nachhaltigkeit: Länder mit starkem Arbeitskräfteexport, etwa Rumänien oder Bulgarien, sehen sich mit Fachkräftemangel und demografischen Herausforderungen konfrontiert. Gleichzeitig müssen die Aufnahmeländer Integrations- und Qualifikationsfragen aktiv gestalten, um die Potenziale der mobilen Beschäftigten zu sichern.

Für Personalabteilungen und Recruiter in Frankreich und Deutschland wird Mobilität zunehmend zu einem strategischen Thema. Die Fähigkeit, Talente über Grenzen hinweg zu gewinnen, zu integrieren und langfristig zu binden, entscheidet über die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen.
Die Europäische Union unterstützt diesen Trend, indem sie die Anerkennung von Qualifikationen verbessert, die Portabilität sozialer Rechte fördert und die digitale Mobilität (z. B. Remote Work über Landesgrenzen hinweg) erleichtert.
Zukünftig dürfte sich ein differenziertes Bild abzeichnen: Während Arbeitnehmer aus Rumänien, Polen und Italien weiterhin den Großteil der mobilen Arbeitskräfte stellen, werden Kandidaten aus Frankreich und Deutschland insbesondere für internationale oder wissensintensive Positionen interessant bleiben.
Ihre Mobilität ist selektiv, aber strategisch wertvoll für Unternehmen, die auf hochqualifizierte, mehrsprachige Fachkräfte setzen.
Mehr dazu:
- Auswandern nach Frankreich: Alle Infos für Deutsche
- So ziehen Sie als Deutscher nach Frankreich um: Checkliste
- Umzug nach Frankreich: 5 Tipps für Ihre Job- und Wohnungssuche
Olivier Geslin

Fr
De
En




