Angehörigenpflege in Frankreich mit Ihrem Beruf vereinbaren
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Es ist nicht einfach, die Pflege von Angehörigen mit einer Vollzeittätigkeit zu vereinbaren. Die steigende Lebenserwartung und der zunehmende Pflegebedarf machen diesen Balanceakt zwischen Arbeit und Pflege zu einem zentralen Thema für die Gesellschaft und Arbeitswelt. Wir beleuchten die gesetzlichen Rahmenbedingungen, staatliche Hilfen sowie praktische Lösungen, um Ihren Angehörigen in Frankreich Hilfe zu leisten.
2. Betriebliche Vorkehrungen zur individuellen Anpassung der Arbeitszeit
3. Einrichtung von Haushaltshilfen für seinen altersschwachen Angehörigen
4. Einrichtung einer Tagesbetreuung für Ihren älteren nahestehenden Menschen
5. Erwägung der Wahl einer geeigneten Unterkunft für seinen älteren Angehörigen
Eine gesetzliche Pflegeversicherung oder Verpflichtung, das Pflegerisiko abzudecken, gibt es in Frankreich so nicht. Auch hier gilt, möchte man vorsorgen, muss eine private Pflegeversicherung abgeschlossen werden.
Es ist jedoch möglich, dass erbrachte Leistungen über das französische Pflegegeld (Allocation personnalisée d'autonomie, Apa) unterstützt werden. Die gilt jedoch nur für Personen über 60 Jahre, die dauerhaft in Frankreich ansässig sind. Die Leistungen hängen auch davon ab, ob die Person zuhause oder in einem Pflegeheim wohnt. Die Beitragshöhe ist von der Pflegestufe und dem Einkommen abhängig.
Im Code de l'action sociale et des familles werden verschiedene Stufen der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrade) festgelegt. Der Pflegegrad hängt von der Schwere der Einschränkungen ab und wird mittels eines national einheitlichen Katalogs an Begutachtungsrichtlinien, der Grille Aggir (Autonomie gérontologique groupes iso-ressources) bestimmt.
Je nach Grad der Pflegebedürftigkeit werden die Personen in den sechs vorgesehenen Pflegegraden der Grille Aggir eingeteilt, den Groupes iso-ressources. Personen der Gruppe GIR 1 weisen eine schwerwiegende Pflegebedürftigkeit auf und die der Gruppe GIR 6 noch eine gewisse Selbstständigkeit.
Wie und wo kann man sich informieren?
Auf nationaler Ebene gibt es ein Informationsportal für die Autonomie älterer Menschen und ihrer Angehörigen: Portail national d'information pour l'autonomie des personnes âgées et l'accompagnement de leurs proches
Auf diesem Portal finden sich gezielt Hinweise und Links für pflegende Angehörige, wo Sie Beratung, Information und Unterstützung erhalten können – auf nationaler, aber auch auf Ebene der Departements. U. a. gibt es auch direkte Präventionstipps, häufig gestellte Fragen und Antworten, Hinweise zu Unterstützungsangeboten, Suchmaschinen für Pflegeheime zur Entlastung oder Kurzzeitpflege und Informationen zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.
Das Portal wird gemeinsam vom Ministerium für Solidarität und Gesundheit (Ministère de la santé et de l'accès aux soins) und der Pflegekasse (Caisse nationale de solidarité pour l’autonomie, CNSA) betreut. Die Kommunen bieten über die kommunalen Sozialzentren (Centre communal d'action sociale, CCAS) Informationen und Adressen in der Nähe rund um Pflege an und unterstützen bei der Beantragung von Pflegegeld.
Auch die Pensionskasse (Caisse d'assurance retraite et de la santé au travail, Carsat), die Sozialversicherung ([Mutualité sociale agricole, MSA](https://www.msa.fr "Mutualité sociale agricole, MSA")) und die Rentenkasse (Caisse de retraite) bieten Informationen und Beratungen an. Lokale Anlaufstellen sind die Zentren für gerontologische Information und Koordination (Centre local d'information et de coordination gérontologique, CLIC).
Über Verbände, Selbsthilfe und Organisationen der Pflegenden werden ebenfalls viele Beratungs- und Unterstützungsdienste angeboten. Die größten Organisationen sind:
Die Association Française des aidants, der Französische Verband der Pflegenden, hat sogar Cafés des aidants eingerichtet. Dies sind Treffpunkte, bei denen Betroffene Erfahrungen austauschen und Informationen erhalten können. Begleitet werden diese Treffen von einer Sozialarbeiterin oder einem Sozialarbeiter und einer Psychologin oder einem Psychologen.
Die professionelle Begleitung steht den Angehörigen beispielsweise mit Informationen zu finanzieller Unterstützung, Anlaufstellen, nationalen und lokalen Maßnahmen zur Seite. Jedes Treffen behandelt ein bestimmtes Schwerpunktthema. Um die 130 Café des aidants gibt es mittlerweile in Frankreich.
Sie betreuen einen pflegebedürftigen Angehörigen und gehen gleichzeitig einer beruflichen Tätigkeit nach? Es gibt gesetzliche Bestimmungen, die es ermöglichen, als pflegender Angehöriger von der Arbeit freigestellt zu werden oder Sonderregelungen in Anspruch zu nehmen. Es ist auch möglich, für Ihren Verwandten eine Betreuung zu Hause einzurichten.
Gesetzliche Bestimmungen
Die Freistellung von pflegenden Angehörigen: Wenn Sie Arbeitnehmer sind, können Sie bei Ihrem Arbeitgeber einen Urlaub für pflegende Angehörige beantragen. Im Rahmen dieser Auszeit (Congé de proche aidant) können Sie Ihre berufliche Tätigkeit reduzieren oder aussetzen. Der Arbeitgeber kann den Urlaub nicht ablehnen, es sei denn, Sie erfüllen die Bedingungen nicht (z. B. wenn Sie Ihren Urlaub zu kurzfristig beantragen). Dieser Urlaub wird mit der Tagespauschale für pflegende Angehörige (Allocation journalière du proche aidant) vergütet.
Eine Spende für freie Tage erhalten: Wenn Sie als Arbeitnehmer im privaten Sektor oder im öffentlichen Dienst tätig sind, können Sie einem Kollegen, der eine ältere, pflegebedürftige Person betreut, Ruhetage schenken. Durch das Spenden von Ruhetagen (Don de jours de repos entre collègues) erhält der Arbeitnehmer, der davon profitiert, eine Vergütung für die Zeit, in der er sich um den Angehörigen kümmert. Diese Zeit der Abwesenheit wird für die Bestimmung der Rechte, die er aus seiner Betriebszugehörigkeit ableitet, einer tatsächlichen Arbeitsperiode gleichgestellt. Er behält alle Vorteile, die er vor Beginn seiner Abwesenheit erworben hat.
Die Freistellung wegen Familiensolidarität: Der Familiensolidaritätsurlaub (Congé de solidarité familiale) ermöglicht es Ihnen, wenn Sie Arbeitnehmer sind, eine Auszeit zu nehmen, um einen nahestehenden Menschen an seinem Lebensende zu begleiten. Er wird vom Arbeitgeber nicht vergütet. Unter bestimmten Voraussetzungen kann Ihnen eine Tagespauschale gezahlt werden. Es gibt auch einen Urlaub für Familiensolidarität im öffentlichen Dienst.
Individuell angepasste Arbeitszeiten: Der Arbeitgeber kann die Arbeitszeiten eines mithelfenden Familienangehörigen so ändern, dass sie an dessen Situation angepasst sind.
In Nachtschicht arbeiten: Wenn Nachtarbeit mit zwingenden familiären Verpflichtungen unvereinbar ist, insbesondere wegen der Betreuung eines Kindes oder einer pflegebedürftigen Person, stellt die Ablehnung von Nachtarbeit kein Vergehen oder einen Kündigungsgrund dar. Außerdem können Sie als Nachtarbeiter beantragen, dass Sie auf eine Tagesschicht versetzt werden möchten.
Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten: Arbeitgeber sind verpflichtet, die Ablehnung der Ausübung von Telearbeit gegenüber pflegenden Angehörigen zu begründen.
Weitere Vorschriften
Einige Unternehmen können im Rahmen ihrer Sozialverantwortung Vorkehrungen treffen, die Ihnen helfen, Ihre Berufsausübung und Ihre Aufgabe als Pflegekraft bestmöglich zu vereinbaren.
Wer Ihnen im Unternehmen Unterstützung bieten kann: Wenn es Ihnen schwerfällt, Ihre berufliche Tätigkeit mit Ihrer Rolle als pflegender Angehöriger zu vereinbaren, sollten Sie nicht zögern, mit vertrauten Gesprächspartnern darüber zu sprechen, wie z. B. mit Ihrem Vorgesetzten, dem betrieblichen Sozialdienst Ihres Unternehmens (falls es einen solchen gibt), der Personalabteilung oder dem Amtsarzt.
Ihr hilfsbedürftiges Familienmitglied benötigt möglicherweise Unterstützung beim Aufstehen, bei der Zubereitung oder Einnahme von Mahlzeiten, bei Ausflügen ins Freie usw.
Eine Betreuung in den eigenen vier Wänden ermöglicht es, dass die Hilfe nicht mehr ausschließlich von Ihnen abhängt. Es ist möglich, den Einsatz eines ambulanten Pflegedienstes, das Liefern von Essen auf Rädern, etc. in Anspruch zu nehmen.
Die häusliche Pflege ermöglicht es Ihnen, mehr Zeit zu gewinnen und somit beruhigter einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen.
Diese verschiedenen Maßnahmen und Begleitungen in der häuslichen Umgebung können teilfinanziert werden, beispielsweise durch die Apa oder die Beihilfen der Rentenkassen.
Die verschiedenen Arten privater Pflegekräfte
Zuerst sollten Sie sich darüber im Klaren sein, was Sie genau suchen. Möchten Sie eine Vollzeitpflege (24-Stunden-Pflege) oder reicht es aus, wenn der Pflegebedürftige ein paar Stunden betreut werden soll? Lassen Sie sich hierfür auch gerne beraten oder fragen Sie andere Personen, die Erfahrung mit dem Thema Pflege haben. Denken Sie auch daran, dass dieser Punkt über die Wohnsituation der Pflegekraft entscheiden wird.
Ein weiteres wichtiges Thema ist das Aufgabengebiet, denn ein demenzkranker Mensch braucht beispielsweise eine völlig andere Betreuung, als eine Person, die sich nur eingeschränkt bewegen kann. Daher sollten Sie sich informieren, ob Sie eine examinierte Pflegekraft brauchen oder es auch ausreicht, wenn weniger qualifizierte Personen das machen. In manchen Situationen reicht auch eine Haushaltshilfe, welche die Betreuung übernimmt. Häufig werden freiberufliche Pflegekräfte beschäftigt, weil sie flexibel einsetzbar sind und individuelle Verträge haben.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine private Pflegekraft einzustellen. Die Möglichkeiten hängen von den oben beschriebenen Ansprüchen ab und entscheiden oftmals über die Kosten.
Vermittlungsagenturen: Sie werden besonders häufig benutzt, um Personal aus dem Ausland zu holen. Der Vorteil ist, dass die Pflegekräfte meistens bei den Agenturen angestellt sind und man sich die Arbeitskräfte "nur" ausleiht. Dies hat auch rechtliche Vorteile. Aber Sie sollten sich gut informieren, bevor Sie einen Vertrag unterschreiben. Es kann auch sein, dass das Pflegepersonal in regelmäßigen Abständen wechselt. Das ist schlecht, wenn der Pflegebedürftige eine ständige Bezugsperson braucht. Gehen Sie davon aus, dass Arbeitskräfte aus dem Ausland bei Ihnen wohnen werden.
Stellenbörsen: Kleinanzeigenbörsen, Stellenportale im Internet, Anzeigen in der regionalen Zeitung oder das Arbeitsamt sind gute Quellen für die Kontaktaufnahme mit potentiellen Fachkräften. Wichtig ist hierbei, sich die Qualifikation nachweisen zu lassen. Für Teilzeitkräfte eignen sich besonders regionale Stellenbörsen, da die Pflegekräfte in der Nähe wohnen sollten. Beachten Sie ebenfalls, dass Sie selber zum Arbeitgeber werden, wenn Sie jemanden selbst einstellen. In diesem Falle sollte man sich über Rechte und Pflichten aufklären lassen.
Privates Netzwerk: Wie in vielen anderen Bereichen, Empfehlungen aus dem Bekanntenkreis ein geeignetes Mittel zur Akquise von Arbeitskräften. Fragen Sie Freunde, Verwandte, Bekannte. Vielleicht haben diese bereits Erfahrung mit der privaten Pflege gesammelt und können Tipps geben.
Preise und Kosten: Die Preisdifferenzen können je nach Anforderungen enorm sein. Pflege aus dem Ausland ist wahrscheinlich deutlich günstiger, da dort andere Löhne gezahlt werden. Pflegekräfte aus Osteuropa bekommen ab 1200.- Euro im Monat. Zusätzliche Kosten entstehen, wenn die Pflegekraft mit bei Ihnen wohnt. Denken Sie daran, dass in vielen Ländern ein Mindestlohn gilt. Auch Vermittlungsagenturen müssen sich daran halten. In Deutschland dürfte entsprechendes Fachpersonal deutlich teurer sein.
Legalität und Rechtssicherheit: Wer eine eigene Pflegekraft privat einstellen und beschäftigen möchte, muss einige Dinge beachten. Bei Arbeitskräften aus Frankreich müssen die französischen Arbeitgebergesetze beachtet und eingehalten werden. Eine Arbeitskraft aus dem Ausland unterliegt oftmals anderen Gesetzen.
Weisungsrecht: Ein weiterer Punkt ist die Dauer des Arbeitsvertrags. Der Arbeitsvertrag zwischen Pflegekraft und Agentur muss während des gesamten Entsendezeitraumes gültig sein. Das bedeutet auch, dass das Weisungsrecht der Vermittlungsagentur unterliegt und nicht der Familie, die diese Pflegekraft einsetzt. Wird das Weisungsrecht von der Familie in Deutschland ausgeübt, so muss diese Sozialabgaben etc. nach deutschem Recht abführen. Bei einer Familie in Frankreich unterliegen die Sozialabgaben französischem Recht.
Mindestlohn: Klären Sie rechtzeitig ab, welche Tätigkeiten die Pflegekraft ausführen soll. Wenn die Arbeit hauptsächlich im Bereich der Grundpflege angesiedelt ist, so steht dem Angestellten der Mindestlohn zu.
Die Tagespflege bietet älteren Menschen eine angepasste Betreuung an einem oder mehreren Tagen in der Woche. Als pflegender Angehöriger können Sie Unterstützung erhalten und sich Zeit für Ihre eigenen Beschäftigungen schaffen.
Um eine den Bedürfnissen Ihres älteren, pflegebedürftigen Angehörigen angepasste Versorgung zu organisieren, kann ein Wohnungswechsel in Betracht gezogen werden.
Es gibt verschiedene Arten von Unterkünften, die verschiedene Bedürfnisse erfüllen:
- Fürsorge
- Hilfestellung im Alltag
- Organisation der Mahlzeiten
- Leben in Gemeinschaft
- etc.
Sollten Sie sich für ein Pflegeheim entscheiden, muss man direkt für das infrage kommende Heim einen Antrag stellen. Sollten mehrere Pflegeheime passend sein, kann man das auch für mehrere Heime tun, falls die Zeit drängt.
Pflegeheime in Frankreich werden meist von privaten Trägern betrieben oder von kirchlichen. Staatliche, wie in Deutschland, gibt es eher selten. Das hat zur Folge, dass auch die Kosten sehr unterschiedlich sein können.
Informationen zu den Gesamtkosten pro Monat müssen also unbedingt vor Antragstellung eingeholt werden, sonst kann es zu unschönen Überraschungen kommen.
Mehr dazu:
- Anspruch auf Urlaub in Frankreich: Berechnung und Regelungen
- Auszeit vom Job in Frankreich: das Sabbatical
- Feiertage und Schulferien in Frankreich
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Jérôme Lecot
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