Aktuelle Tipps unserer Experten zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Frankreich

Welche Arbeitsrechte bestehen, gültig sind oder zwischenzeitlich geändert wurden, ist nahezu unmöglich zu wissen. Noch komplexer wird es natürlich für einen deutschen Arbeitgeber in Frankreich. Um Ihnen mehr Klarheit zum Arbeitsrecht in Frankreich zu geben, finden Sie hier alles zum Thema Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Frankreich, zusammengefasst von unseren Experten.

1. Vorwürfe, die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer per E-Mail gemacht hat, können als Abmahnung gelten

Der französische Kassationsgerichtshof hat entschieden, dass eine E-Mail, in welcher der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer bestimmte Tatsachen vorwirft, ihn zur schnellen Änderung seines Verhaltens auffordert und hierzu eine Frist setzt, als Abmahnung zu betrachten ist, auch wenn die Email den Begriff "Abmahnung" nicht enthält. Diese Auslegung hat zur Folge, dass die gemachten Vorwürfe für eine Kündigungsbegründung nicht mehr verwendet werden können, weil der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer nicht zweimal für dieselben Tatsachen bestrafen darf.

Cass. Soc, 26 mai 2010, n° 08-42.893, Sté Médiance c/ Boileau ép. Nevière.

PRAXISTIPP: Ist beabsichtigt, einem Mitarbeiter zu kündigen, so sollte bei Bestehen von Vorwürfen unmittelbar geprüft werden, ob sie auch eine sofortige Kündigung begründen, da diese durch eine Abmahnung "verbraucht" sein könnten und erst bei einer Wiederholung des verwerflichen Verhaltens zu einer Kündigung führen könnten.

2. Personalchef kann wirksam Kündigungsbriefe im Namen des Unternehmens unterzeichnen

In Entscheidungen vom 24.9.2009 und vom 3.12.2009 haben die Berufungsgerichte in Versailles (5. Kammer) und in Paris (2. Kammer) entschieden, dass eine die in einer SAS (vereinfachte Aktiengesellschaft) von einem Personalchef ausgesprochen wurde, obwohl er keine schriftliche Vollmacht für Kündigungen hatte, nichtig ist. Allerdings wurde eine solche Kündigung von anderen Kammern dieser Berufungsgerichte und anderen Gerichten weiter als gültig anerkannt.

Der französische Kassationshof hat am 19. November 2010 zu diesem Streit zwischen den Kammern der Berufungsgerichte in Paris und Versailles in zwei Entscheidungen Stellung genommen.

Für diese hoch erwartete Stellungnahme haben sich die Handelsrechts-, Arbeitsrechts und 2. Zivilrechtskammer vom Kassationshof zusammengeschlossen.

In zwei Entscheidungen vom 19. November 2010 haben sie die 2009 eingeleitete Rechtsprechung beendet und bestätigt, dass die Präsidenten und geschäftsführenden Direktoren dem Personalchef die Vollmacht erteilen dürfen, Kündigungen auszusprechen.

Eine solche Vollmacht bedarf keine Eintragung im Handelsregister und ebenso wenig der Schriftform. Diese Entscheidungen des Kassationshofes sind sehr zu begrüßen, da die Voraussetzung der in der SAS-Satzung vermerkten Vollmacht in der Praxis erhebliche Konsequenzen gehabt hätte.

Aufgrund der fünfjährigen Verjährung und der Tatsache, dass die SAS die meistverbreitete Aktiengesellschaftsform in Frankreich ist, hätten viele Kündigungen aus der Vergangenheit gerichtlich in Frage gestellt werden können.

  • CA Versailles, 5e ch., 24. September 2009, RG n° 08/02615
  • CA Paris, 2e ch., 3. Dezember 2009, RG n° 09/05422
  • CA Versailles, 15e ch., 5. Mai 2010, RG n° 09/02869
  • CA Versailles, 15e ch., 10. März 2010, RG n° 06/04642
  • CA Versailles, 5e ch., 6. Mai 2010, RG n° 09/00756
  • CA Paris, 2e ch., 1. Juli 2010, RG n° S 09/09613
  • Cass. Ch. Mixte, 19. November 2010 n° 10-30.215 und 10-10.095 (+Mitteilung)

PRAXISTIPP: Auch andere Personen als der Präsident oder die geschäftsführende Direktoren in einer SAS (vereinfachte Aktiengesellschaft) können ohne schriftliche
Vollmacht Kündigungsbriefe unterschreiben. Es ist trotzdem ratsam, eine schriftliche Vollmacht zu erteilen, um einen etwaigen zukünftigen Streit über dieses Thema zu
vermeiden.

3. Kommentare auf Facebook eines Mitarbeiters können eine fristlose Kündigung begründen

In diesem Sachverhalt hatten drei Arbeitnehmer derselben Gesellschaft auf www.facebook.fr von einem von ihnen sarkastische herabwürdigende Bemerkungen über ihre Hierarchie und ihren Arbeitgeber außerhalb der Arbeitszeiten geäußert.

Diese Äußerungen wurden dem Arbeitgeber durch einen anderen Arbeitnehmer, der Zugang zu dieser Facebook-Seite hatte, mitgeteilt.

Die drei Arbeitnehmer sind fristlos gekündigt worden.

Das Arbeitsgericht Boulogne-Billancourt hat entschieden, dass der Arbeitgeber das Recht auf Privatsphäre und Briefgeheimnis dieser Mitarbeiter nicht verletzt hat und die ausgedruckte Facebook-Seite als zulässiges Beweismittel anzusehen ist, da die Facebook-"Freunde von Freunden", die sowohl andere Mitarbeiter als auch Dritte sein können, Zugang zum Profil und zu diesen Kommentaren hatten.

Zudem ist es von einem Missbrauch der Redefreiheit ausgegangen, da die betroffenen Mitarbeiter - die in Kundenkontakt waren - über ihre Chefin und den Arbeitgeber gelästert haben. Ob diese Entscheidung in der Berufung bestätigt wird bleibt fraglich.

Conseil de Prud'hommes Boulogne-Billancourt, 19. November 2010 n° F 09/000316 et F 09/000343

PRAXISTIPP: Es bleibt unklar, ob Kündigungen wegen herabsetzender Bemerkungen über den Arbeitgeber in Internetportalen wirksam sind. Unternehmen können jedoch ihre Mitarbeiter in der Betriebsordnung oder in einer Charta daran erinnern, dass solche Aussagen im Internet gegen sie verwendet werden können.

4. Einvernehmliche Auflösung des Arbeitsvertrages nach Abmahnung nichtig

Der Gesetzgeber hat 2008 die Möglichkeit einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsvertrages eröffnet. In der Praxis wird der Weg der einvernehmlichen Vertragsauflösung zunehmend gewählt, weil hierdurch ein langwieriger und kostspieliger Rechtstreit vermieden werden kann. Allerdings ist dieser Weg nur möglich, wenn keine Konfliktsituation zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber besteht. Das Arbeitsgericht von Bobigny hat demzufolge eine einvernehmliche Auflösung nicht anerkannt, weil der Arbeitgeber den Mitarbeiter kurz davor abgemahnt hatte.

Das Risiko, dass diese Rechtsprechung ebenfalls bei jeder Art von Vorwürfen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer angewendet wird, ist nicht auszuschließen.

Conseil de Prud'hommes Bobigny, 6.April 2010 n° F 08/04910

PRAXISTIPP: Vor einer Abmahnung sollten Sie sich vergewissern, dass Sie den Abschluss einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsvertrages mit dem Mitarbeiter nicht als Alternative zu einer Kündigung berücksichtigen. Achten Sie vor oder im Rahmen von Verhandlungen zwecks einvernehmlicher Auflösung des Arbeitsvertrages darauf, dass keine belegbare Konfliktsituation entsteht.

5. Kollektive betriebsbedingte Kündigung: Pflicht zur Anhörung des Betriebsrats auch bei Herabsetzung der Belegschaft auf unter 50 Mitarbeiter

Die Pflicht, einen Betriebsrat wählen zu lassen, besteht in Frankreich für Unternehmen mit 50 Mitarbeitern und mehr. Sollte die Belegschaft auf unter 50 Mitarbeiter sinken, kann ein bestehender Betriebsrat (die Amtsperiode beträgt 4 Jahre) nur durch eine Vereinbarung mit den Gewerkschaften, bzw. von der Arbeitsverwaltung aufgelöst werden.

Sofern der Betriebsrat bei Einleitung einer kollektiven betriebsbedingten Kündigung noch besteht, muss er angehört werden, unabhängig von der tatsächlichen Mitarbeiteranzahl zu diesem Zeitpunkt. Dies wurde gerade vom französischen obersten Gerichtshof bestätigt.

Es ist jedoch anzumerken, dass in diesem Falle die Pflicht, einen Sozialplan zu erstellen, nicht mehr besteht, denn diese Pflicht bemisst sich nur nach dem Umstand, ob das Unternehmen 50 Mitarbeiter oder mehr hat.

Cass. Soc, 12 juillet 2010, n° 09-14.192, comité d'entreprise de la Sté Ad Majoris c/ Sté Ad Majoris.

PRAXISSTIPP: Überprüfen Sie die aktuelle Mitarbeiteranzahl bei dem Vorhaben einer kollektiven betriebsbedingten Kündigung. Sollte festgestellt werden, dass der Betriebsrat nicht aufrechterhalten werden muss, weil die Mitarbeiteranzahl unter 50 liegt, sollte der Betriebsrat noch vor der Einleitung des Verfahrens aufgelöst werden.

6. Verlängerung der Verjährung für Kündigungsschutzklagen von 1 auf 5 Jahre

Nach einer sehr restriktiven Auslegung des Artikels L 1235-7 des französischen Arbeitsgesetzbuchs durch den obersten Gerichtshof gilt von nun an die 5jährige und nicht mehr die 12monatige Verjährung bei der Kündigungsschutzklage im betriebsbedingten Bereich.

Cass. Soc, 15 juin 2010, n° 09-65-062, Sté Sameto Honfleur et a. c/ X et a.

PRAXISTIPP: Für problematische Kündigungsfälle können ggf. Rückstellungen gebildet werden - sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater/Wirtschaftsprüfer.