Anspruch auf Urlaub in Frankreich: Berechnung und Regelungen
Stellen Sie sich vor: Die französische Firma, für die Sie seit einem halben Jahr arbeiten, schließt im August wegen Betriebsferien. Erholt kehren Sie Anfang September aus Ihrem langen Urlaub zurück, öffnen zuhause den Briefumschlag mit Ihrer Gehaltsabrechnung - und finden am unteren Ende nur die Hälfte der gewohnten Gehaltssumme vor.
Um diese und ähnliche Überraschungen zu vermeiden, ist es essentiell, die in Frankreich geltenden Regeln bezüglich Anspruch, Antrag und Verteilung von Urlaub zu kennen, die wir Ihnen im Folgenden erklären.
Französische Arbeitstage: jours ouvrés und jours ouvrables
Zunächst einmal hängt die Anzahl Ihrer Urlaubstage im Jahr von der Einteilung der Arbeitswoche ab, und damit unter anderem von Unternehmen, Branche, Firmengröße sowie Region in Frankreich. In französischen Arbeitsverträgen wird ein Unterschied zwischen den Tagen gemacht, an denen gearbeitet wird - den jours ouvrés - und den Werktagen, an denen prinzipiell gearbeitet werden kann und die weder Sonn-, noch Feiertage sind - den jours ouvrables.Ein weiterer zentraler Punkt bei der Berechnung von Urlaub ist die Tatsache, dass in Frankreich pro gearbeitetem Monat Urlaubstage „angesammelt" und „gutgeschrieben" werden.
Als Arbeitszeiten, und damit relevant für die Gutschrift von Urlaubstagen in Frankreich, gelten:
- bezahlte Urlaubstage
- freie Tage zum Abfeiern unbezahlter Überstunden
- familiär bedingte Freistellungen (Hochzeit, Geburt, Todesfall etc.)
- Elternzeit
- Fortbildungen
- Militärdienst
- Unfall- oder krankheitsbedingte Ausfälle
Berechnung der Urlaubstage im Falle eines französischen Arbeitsvertrags mit jours ouvrés
Ein Arbeitsvertrag, der sich auf jours ouvrés bezieht, beinhaltet fünf Arbeitstage, in der Regel von Montag bis Freitag. Bei einem solchen Vertrag werden pro gearbeitetem Monat 2,08 Urlaubstage gutgeschrieben, wodurch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf insgesamt 25 bezahlte Urlaubstage bzw. fünf Wochen Urlaub pro Jahr haben.
Berechnung der Urlaubstage im Falle eines französischen Arbeitsvertrags mit jours ouvrables
Bei einer Berechnung von Urlaubstagen basierend auf den jours ouvrables, und damit einer Arbeitswoche von sechs Tagen, beläuft sich die bezahlte Urlaubszeit auf 30 Tage bzw. ebenfalls 5 Wochen im Jahr, da 2,5 Urlaubstage pro Monat angesammelt werden.
Manche französische Unternehmen zählen die jours ouvrables, nutzen sie aber nur optional, beispielsweise in kleineren Firmen oder Kulturinstitutionen, in denen bei Veranstaltungen oder Seminaren auch samstags gearbeitet werden kann. Wichtig zu erwähnen ist hierbei, dass Urlaubstage, die sich über einen vertraglich festgesetzten jour ouvrable erstrecken, diesen miteinbeziehen, selbst wenn an diesem Tag praktisch nie gearbeitet wird. Konkret bedeutet dies: Wer in einem Unternehmen arbeitet, an dem der Samstag ein jour ouvrable ist, und sich Freitag und Montag freinehmen möchte, dem werden nicht zwei, sondern inklusive des Samstags drei bezahlte Urlaubstage abgezogen.
Im französischen Einzelhandel werden die jours ouvrables meist voll genutzt, da die Geschäfte samstags geöffnet sind.
Wann und wie Sie in Frankreich Anspruch auf Urlaub haben
Aufgrund der Praxis der Gutschrift von Urlaubstagen pro Monat können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht im Voraus mehr Urlaub nehmen, als Sie angesammelt haben.Da der Anspruch auf die Gesamturlaubszeit von 25 bzw. 30 Tagen erst nach dem Zeitraum eines Arbeitsjahres vom 1. Juni bis zum 31. Mai gilt, werden die angesammelten Urlaubstage erst am 1. Juni „freigeschaltet". Wenn Ihr Arbeitsvertrag also am 1. September beginnt, steht Ihnen Ihre bis Ende Mai angesammelte Urlaubszeit von ca. 19 bzw. 22,5 Tagen im Grunde genommen erst ab dem 1. Juni zur Verfügung.
Da diese Regelung den französischen Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen allerdings bekannt ist, sind diese meistens recht flexibel und entgegenkommend im Genehmigen von Urlaubstagen vor der offiziellen Freischaltung, so dass Sie sich nicht scheuen müssen, bereits vor dem 1. Juni nach Urlaub zu fragen.
Ein angenehmer Aspekt für diejenigen, die einen Arbeitsvertrag mit jours ouvrés haben und damit 2,08 Urlaubstage pro Monat ansammeln: Gilt Ihr Arbeitsvertrag z.B. ab dem 1. April, so dass Sie zum 31. Mai erst 4,16 Tage Urlaub angesammelt haben, wird die Zahl Ihrer Urlaubstage zur besseren Praktikabilität aufgerundet - so haben Sie ab dem 1. Juni fünf Tage Urlaub zur Verfügung.
In welchem Zeitraum Sie Urlaub nehmen können
Wie in Deutschland auch, muss auch in Frankreich der Zeitraum des Urlaubs mit dem oder der Vorgesetzten abgesprochen werden, um die Arbeitsprozesse nicht zu stören. In Frankreich ist beispielsweise der August ein „toter" Monat, während dem viele Geschäfte und Unternehmen geschlossen haben, so dass es klüger sein kann, den Urlaub in diesen Monat zu legen statt zur rentrée im September, wenn viele Unternehmen ihre Arbeit nach den Sommerferien wieder aufnehmen.
In manchen französischen Unternehmen sieht die Kollektivvereinbarung (convention collective) innerhalb des Unternehmens vor, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen innerhalb eines bestimmten Zeitraums einen bestimmten Teil ihres Urlaubs nehmen müssen, z.B. drei Wochen zwischen Anfang Juni und Ende September, wobei der Zeitpunkt zur Legung der restlichen Urlaubstage frei wählbar ist.
In welchem Zeitraum Sie eventuell Urlaub nehmen müssen
In einigen französischen Unternehmen ist es gängig, in der Woche um Weihnachten und/oder den ganzen August zu schließen. Damit sind auch Sie als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter in dieser Zeit zu Urlaub verpflichtet. Das kann problematisch werden, wenn Sie bis dahin nicht genügend Urlaubstage angesammelt haben; sind Sie zum Beispiel am 1. März eingestellt worden, haben Sie bei einem Vertrag mit jours ouvrables zu Beginn des Monats August erst 12,5 Urlaubstage angesammelt, so dass Ihnen der Urlaub im restlichen Monat als unbezahlt berechnet und entsprechend von Ihrem Gehalt abgezogen wird.
Wichtig: Falls dieser Aspekt ein zentraler Punkt für Sie ist, fragen Sie Ihren Arbeitgeber oder Ihre Arbeitgeberin am besten noch vor Vertragsunterschrift nach eventuellen Betriebsferien, um Überraschungen zu vermeiden. Wenn dies kein Problem für Sie darstellt, planen Sie für diesen Fall dennoch finanziell im Voraus.
Zusätzliche Urlaubstage in Frankreich
In bestimmten Fällen haben Sie in Frankreich Anspruch auf zusätzliche Urlaubstage oder können diese verhandeln.
Kompensierung von Überstunden durch freie Tage
Neben der Option, sich geleistete Überstunden ausbezahlen zu lassen, besteht in Frankreich die Möglichkeit, diese ganz oder teilweise durch einen Freizeitausgleich (repos compensateur de remplacement) zu ersetzen, sofern dieser im Tarifvertrag (convention collective oder accord collectif) nach Genehmigung durch den Betriebsrat (comité d'entreprise / délégués du personnel) festgelegt worden ist.
Zusätzliche Urlaubstage: RTT (réduction du temps de travail)
Ein französischer Arbeitsvertrag, der von vorneherein eine Arbeitszeit von mehr als den als Vollzeit geltenden 35 Stunden pro Woche beinhaltet, kann auch zusätzliche Urlaubstage als Ausgleich vorsehen, wenn dies im Tarifvertrag des Unternehmens festgelegt ist. Die zusätzlichen freien Tage (jours de RTT) werden im Arbeitsvertrag entweder pauschal festgelegt oder reell anhand der zusätzlichen Stunden berechnet. Auch eine vertraglich festgelegte Kombination aus einer teilweisen Auszahlung und RTT ist möglich.
Urlaub aus familiären Gründen
Aus bestimmten familiär bedingten Gründen können Sie als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin in Frankreich Anspruch auf zusätzliche Urlaubstage geltend machen. Diese Ansprüche sind abhängig von dem, was innerhalb der Kollektivverhandlungen in Ihrem Unternehmen bzw. in Ihrer Branche festgelegt ist. Befolgen muss ein französisches Unternehmen jedoch die folgenden gesetzlich festgelegten Grundansprüche:
- Heirat oder ziviler Solidaritätspakt (PACS): 4 Tage
- Heirat eines Ihrer Kinder: 1 Tag
- Geburt eines Kindes bzw. Ankunft eines adoptierten Kindes: 3 Tage
- Todesfall eines Ihrer Kinder: 5 Tage
- Todesfall des Ehepartners bzw. der Ehepartnerin, des Partners bzw. der Partnerin innerhalb einer anerkannten PACS-Partnerschaft oder des Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin: 3 Tage
- Todesfall von Vater, Mutter, Schwiegervater, Schwiegermutter, Bruder oder Schwester: 3 Tage
- Mitteilung der Diagnose einer Behinderung bei einem Ihrer Kinder: 2 Tage
Weitere Informationen zum Thema Urlaub finden Sie auf der offiziellen Website des öffentlichen Dienstes in Frankreich.